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BGH entscheidet zu Google-Autocomplete

Wieder einmal musste der BGH ein Urteil zur Suchmaschine des Internetgiganten Google fällen (BGH, Urteil vom 14.05.2013 - VI ZR 269/12). Obwohl das Unternehmen inzwischen weit mehr als nur eine Suchmaschine anbietet, war es doch dieses Angebot, das in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen war – gestritten wurde dabei über die Bildersuche (Urheberrechtsverletzung durch Vorschaubilder, BGH I ZR 69/08) genauso wie über markenrechtliche Fragestellungen (Google AdWords, BGH I ZR 46/08) und Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Suchergebnisse (Haftung für "Snippets", OLG Hamburg, 3 U 67/11).

Auch im jüngsten Verfahren war mit "Autocomplete" eine besondere Funktion der Suchmaschine Auslöser des Streits. Autocomplete, also die automatische Vervollständigung der Suchanfrage, ergänzt die Suchanfrage eines Nutzers um andere, in dem Zusammenhang häufig gesuchte Schlagworte. Diese Funktion bietet Google seit 2009 an.

Im Falle des Klägers, eines Unternehmens, welches Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika vertreibt, suchten viele Nutzer offensichtlich unter anderem um die Bestätigung der Gerüchte, dessen Gründer gehöre Scientology an oder sei gar ein Betrüger: Sie suchten unter anderem nach "R. S. (voller Name) Scientology" oder "R. S. (voller Name) Betrug". Sobald also nur nach "R. S. (voller Name)" gesucht wurde, ergänzt die Autovervollständigung daher den Suchauftrag um den Zusatz "Scientology" bzw. "Betrug", weswegen sich der Kläger bereits im Frühjahr 2010 an das beklagte Unternehmen wandte und auf diesen Umstand hinwies. Nach Hinweis der Beklagten, dass dies "weder technisch noch rechtlich möglich sei" (Erstinstanz LG Köln, 28 O 116/11), erwirkten die Kläger daraufhin eine einstweilige Verfügung, die es Google vorübergehend verbieten sollte, die entsprechenden Suchkombinationen anzuzeigen.

Weil die Beklagte dem nicht nachkam, suchte das klagende Unternehmen Rechtsschutz vor dem LG Köln¸ welches Google letztlich Recht gab. Die vom Kläger behauptete Persönlichkeitsrechtsverletzung verneinte es mit der Begründung, es fehle "an einer relevanten Äußerung der Beklagten, die Grundlage einer Persönlichkeitsrechtsverletzung der Kläger sein könnte. Denn den Ergänzungsvorschlägen der Autocomplete-Funktion der Suchmaschine der Beklagten ist nicht die Aussage zu entnehmen, die in der Suchmaske wiedergegebenen Wortkombination träfe eine inhaltliche Aussage über die Kläger."

Ebenfalls keinen Erfolg hatte der Kläger vor der nächsthöheren Instanz, dem Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, 15 U 199/11). Zwar sei in weiten Teilen der Bevölkerung der Begriff "Scientology" negativ konnotiert, jedoch ergebe sich allein aus der schlagwortartigen Verwendung im Kontext mit der Klägerin noch kein Sinnzusammenhang dergestalt, dass diese, bzw. der Gründer derselben "Scientology zumindest positiv gegenüberstehe". Auch der Begriff "Betrug" begründe "für sich genommen keine substanzielle Vorstellung und keinen konkret fassbaren Aussagegehalt." Nach Ansicht des OLG Köln könne jedoch beides dahinstehen, denn die Nutzer der Suchmaschine wüssten "aus dem Umgang mit dem Internetdienst der Beklagten", dass diese nur dazu dient "um auf in das "World Wide Web" eingestellte und dort bereitgehaltene Informationen Dritter zuzugreifen." Der "durchschnittliche Nutzer" erwarte gerade keine "intellektuelle Leistung" von einer Suchmaschine. Vielmehr stelle sich das Suchergebnis "für den Nutzer erkennbar als Anzeige von durch Anwendung eines mathematischen Algorithmus gefundener Begriffsübereinstimmungen" dar. Gleichwohl könne aber auch "die bloße Möglichkeit, dass einzelne Rezipienten die Suchergänzungsvorschläge missverstehen, (…), einen Anspruch nicht begründen."

Anders sah dies dagegen der Bundesgerichtshof, als er in dem Verfahren zu urteilen hatte. Nach dessen Auffassung habe das OLG Köln nämlich „einen Unterlassungsanspruch der Kläger entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art 1, 2 GG gegen die Beklagte als Betreiberin der Internet-Suchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.“ So sei nämlich bereits die namentliche Nennung in Zusammenhang mit dem Begriff „Scientology“ „geeignet, eine aus sich heraus aussagekräftige Vorstellung hervorzurufen.“ Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff des Betrugs, denn hiermit „verbindet der Durchschnittsleser  (…) zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleiht ihm damit einen hinreichend konkreten Aussagegehalt.“ Der Argumentation des LG und OLG Köln, die Suchmaschine liste im Ergebnis nur das auf, wonach die Nutzer besonders häufig suchten, folgt zwar auch der BGH im Wesentlichen. Allerdings habe das OLG Köln „bei der Bestimmung des Aussagegehalts der von der Suchmaschine der Beklagten angezeigten Ergänzungssuchvorschläge nicht berücksichtigt“, dass die Nutzer der Suchmaschine erwarten, „dass die mit dem Suchbegriff bereits verwandten Wortkombinationen - je häufiger desto eher -dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein können, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegeln.“

Das führe dann aber „dazu, dass den bei Eingabe von Vor-und Zuname (…)"automatisch" angezeigten Ergänzungssuchvorschlägen "r. s. scientology" und "r. s. betrug" die Aussage zu entnehmen ist, zwischen dem Kläger (…) und den negativ konnotierten Begriffen "Scientology" und/oder "Betrug" bestehe ein sachlicher Zusammenhang.“

Gleichwohl müsse Google nicht „für jede Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung durch Suchvorschläge“ haften. Zwar ist im vorliegenden Fall „davon auszugehen, dass die beanstandeten Suchwortergänzungsvorschläge das Persönlichkeitsrecht der Kläger verletzen“ und auch „kann eine Haftung der Beklagten als Störerin nicht von vornherein verneint werden.“ Allerdings liegt hier der „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen“, denn dem beklagten Unternehmen kann „grundsätzlich nur vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzen.“

Weil aber gerade im Zusammenhang mit einem Unterlassen diese Betrachtung zu einer uferlosen Haftung führen würde, bedarf es einer Einschränkung – etwa anhand der Kriterien der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Erfolgsverhinderung. Wer also die Möglichkeit hat, eine Gefahrenquelle zu beseitigen, dem kann eben auch der Vorwurf gemacht werden, dass er es gerade unterlassen hat, dies zu tun. Für Anbieter von Internetdiensten besonders relevant ist in diesem Zusammenhang die Pflicht, Inhalte schon vor Veröffentlichung auf ihre rechtliche Relevanz zu prüfen, und danach gegebenenfalls weiter zu beobachten.

Eine solche Prüfpflicht trifft den Betreiber einer Suchmaschine zwar grundsätzlich nicht – schließlich würde dies dem Zweck einer „schnellen Recherche“ zuwider laufen. Mögliche Ausnahmen deutet der BGH gleichwohl „für bestimmte Bereiche, wie etwa Kinderpornographie“ an. Für, wie hier, Persönlichkeitsrechtsverletzungen trifft den Betreiber allerdings „dann eine Prüfungspflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber einer Internet-Suchmaschine auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, ist der Betreiber der Suchmaschine verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern“.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes enthält damit, trotz des von den Vorinstanzen abweichenden Ergebnisses, in der Sache wenig Neues. Vielmehr misst das Gericht die Pflichten der Beklagten an bereits bekannten Erwägungen: Hat ein Betreiber eines Internetdienstes Kenntnis davon, dass die seinem Einfluss unterstehenden Inhalte die Rechte Dritter verletzen, so trifft ihn in der Regel auch die Pflicht, diese Rechtsverletzung zu unterbinden. Die automatisierte Erzeugung der Inhalte aufgrund des der Suchmaschine zugrundeliegenden Algorithmus vermag daran nichts zu ändern, da dieser ja gerade von Google selbst entwickelt wurde und damit im Einflussbereich des Unternehmens liegt.

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