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Ist das Betrachten von Filmen im Internet strafbar?

 
Amtsgericht Leipzig, Urteil vom 21.12.2011, Aktenzeichen 200 Ls 390 Js 184/11
 
Streaming-Dienste wie die inzwischen abgeschaltete Seite kino.to erfreuen sich großer Beliebtheit. Beim Streaming werden Filme aus dem Internet direkt auf dem Computer angeschaut, ohne dass sie dazu dauerhaft auf der Festplatte gespeichert werden.
 
Während die großen kommerziellen Streaming-Portale wie youtube.com sich zumindest darum bemühen, Urheberrechte einzuhalten, gibt es eine Vielzahl von Online-Angeboten, die illegal operieren. Die dort eingestellten Filme werden ohne Einwilligung der Produktionsfirmen der Internetwelt zu Verfügung gestellt.
 
Während es kaum Zweifel daran gibt, dass sich die Betreiber solcher Portale strafbar machen (und teilweise auch schon zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt wurden), ist bis heute nicht geklärt, ob das Betrachten von Streaming-Seiten durch die Nutzer strafbar ist.
 
Aktuelle Gerichtsurteile gegen die Betreiber von kino.to haben den Streit eher angeheizt. So geht das Amtsgericht Leipzig in einem Urteil vom 21.12.2011 davon aus, dass sich auch die Nutzer solcher Streaming-Angebote strafbar gemacht haben. In der Folge müssten wohl mehrere Millionen Internetnutzer belangt werden, denn nach Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte allein kino.to täglich über 200.000 Besucher.
 
Es lohnt sich also, diese Auffassung kritisch zu hinterfragen. Zunächst einmal stellt das Gericht fest, dass das Streaming-Verfahren eine zumindest vorübergehende Erstellung eines sog. Vervielfältigungsstückes darstellt. Schließlich wird auch bei einem Video-Stream eine (zumindest bruchstückhafte) Kopie irgendwo in den Tiefen des Rechners der Nutzer gespeichert. Ein solches Vervielfältigungsstück ist in der Sprache des hier einschlägigen Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz bzw. UrhG) eine Kopie des Werkes. Das Recht, eine solche herzustellen steht gem. §16 I UrhG aber allein dem Urheber zu.
 
Anerkannt ist aber auch, dass dieses Recht vielfältige Beschränkungen findet. Das Gesetz benennt in den §§ 44a ff. UrhG mehrere solcher Fälle. Eine dieser Beschränkungen, nämlich § 44a UrhG, regelt die Zulässigkeit solcher Vervielfältigungshandlungen. Zulässig sind danach solche Kopien, die flüchtig oder begleitend sind und einen wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren gleichzeitiger Zweck es ist, die Übertragung oder rechtmäßige Nutzung zu ermöglichen, ohne einen eigenständigen wirtschaftlichen Nutzen zu haben. Das klingt zwar kompliziert, sollte doch aber bei genauerem Hinsehen gerade beim Streaming-Verfahren der Fall sein. Denn das temporäre Zwischenspeichern des Werkes auf dem Rechner des jeweiligen Nutzers stellt zwar eine Vervielfältigung dar. Diese ist aber gerade wesentlicher Teil des technischen Verfahrens des Streamings, welches ja wiederum die Nutzung ermöglicht. Da es dem Privatvergnügen des Betrachters dient, hat es für diesen auf den ersten Blick auch keinen eigenständigen wirtschaftlichen Nutzen.
 
Doch gerade diese Schranke ist nach Ansicht des Leipziger Amtsgerichts gerade nicht einschlägig. Denn einerseits könne nämlich die Nutzung als solche (also nicht die Vervielfältigung) schon gar nicht rechtmäßig sein (gerade das verlangt § 44a UrhG aber), wenn der Urheber nicht zustimme. Andererseits habe die Nutzung der Kopie sehr wohl eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung für den Betrachter, da er sich mit Ansehen des Werkes ja gerade den wirtschaftlichen Nutzen desselben verschafft – man spart sich gewissermaßen das Geld für die Kinokarte.
 
Der Leipziger Richter äußert sich allerdings nicht dazu, warum § 53 UrhG nicht einschlägig sein soll. Dieser erlaubt nämlich ausdrücklich die Vervielfältigung eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, die sog. Privatkopie. Dieses Recht wird zwar dadurch beschränkt, dass es sich nicht um eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Kopie handeln darf. Das Merkmal der öffentlich zugänglich gemachten Kopie wurde vom Gesetzgeber bewusst eingefügt, um die Lücke zu schließen, die sich beim Download aus Tauschbörsen immer öfter bot – die wenigsten Nutzer derselben dürften schließlich in der Absicht gehandelt haben, ihre solchermaßen erworbenen Kopien zu veräußern. Ob allerdings wirklich allen, die bei kino.to Filme schauten, immer so ganz klar war, dass es sich um rechtswidrig zur Verfügung gestellte Kopien handelte, oder ob diese sich überhaupt darüber Gedanken gemacht hatten, dürfte fraglich sein.
 
Unabhängig davon gibt es auch zu § 44a UrhG andere Meinungen, mit denen sich das AG Leipzig hätte auseinandersetzen können. Nach neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes etwa ergibt sich der wirtschaftliche Nutzen nicht schon daraus, dass das Werk an sich einen wirtschaftlichen Wert hat, sondern erst dann, wenn dieser über den mit der Wiedergabe verbundenen Wert hinausgeht. Andere Meinungen führen an, dass gerade die Tatsache der nur vorübergehenden Speicherung letztlich den eigenständigen wirtschaftlichen Nutzen entfallen lässt, denn schließlich wird die Datei ja nicht dauerhaft gespeichert. Denkbar ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass allein durch die mindere Qualität der gestreamten Videos eine Einschränkung erreicht wird, mit der Folge, dass ein wirtschaftlicher Nutzen zu verneinen ist.
 
Man kann sich also auch weiterhin darüber streiten, ob nun die Nutzer eines Streaming-Portals allesamt strafrechtlich belangt werden können. Das AG Leipzig hat insoweit zwar keinen Präzedenzfall geschaffen, aber immerhin zu erkennen gegeben, dass das "Filme schauen im Netz" nicht ohne weiteres unbedenklich ist. Jedenfalls scheint es dazu zu tendieren, dass Freunde des Internetkinos strafrechtlich belangt werden sollten.
In einer rechtlichen Grauzone bewegen sich die Nutzer von kino.to, seinen Ablegern und Nachfolgern damit also allemal. Wer ganz sicher gehen will, verzichtet. Wer weiterschauen möchte, sollte jedenfalls dort vorsichtig sein, wo tagesaktuelle Inhalte angeboten werden. Denn bei solchen Inhalten wird sich die Rechtswidrigkeit deren Verfügbarkeit geradezu aufdrängen. 
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