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Wie weit dürfen Rechtsanwälte bei Abmahnungen wegen Filesharing gehen?

Seit Mitte November 2011 häufen sich Fälle, bei denen anwaltlich vertretene Mandanten von der Kanzlei U + C Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (Urmann & Kollegen) aus Regensburg, ein Schreiben mit folgendem Inhalt erhalten haben:

 „In obiger Angelegenheit beziehen wir uns auf unser Schreiben vom (    ), mit dem wir Sie wegen einer Verletzung von Leistungsschutzrechten unserer Mandantschaft abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung eines Pauschalabgeltungsbetrages aufgefordert hatten.

Allerdings ging bisher lediglich eine Unterlassungserklärung bei uns ein. Zahlungen konnten nicht verbucht werden.

Ein Abschluss der Angelegenheit durch außergerichtliche Einigung konnte somit nicht erzielt werden, da Sie das von uns unterbreitete Angebot nicht fristgemäß angenommen haben. Wie bereits angekündigt, sind daher die hier angefallenen Anwaltsgebühren, der Schadens­ersatz­betrag und die sonstigen Kosten von Ihnen zu tragen.“


Es wird dann in der Regel ein Betrag von 1.286,80 für angefallenen Anwaltskosten und Schadens­ersatz verlangt.

Selbst wenn man unterstellt, dass Zahlungsansprüche dem Grunde nach bestehen – was in den konkreten Fällen aus verschiedenen Gründen streitig ist – wäre dieser Betrag sehr hoch. Bei der überhöhten Forderung handelt es sich jedoch zunächst noch um eine Drohgebärde, die rechtlich nicht anzugreifen ist. Tatsächlich gibt es nämlich sehr wenig Rechtsprechung und daher kaum verbindliche Maßstäbe, wie Schadensersatzforderungen und Abmahnkosten zu berechnen sind. Entsprechende Drohbriefe sind in Fällen, bei denen der Abgemahnte nicht bereit ist, die Geldforderungen zu erfüllen, an der Tagesordnung.

Das Ungewöhnliche an den aktuellen Schreiben der Kanzlei U+C ist jedoch, dass durch die Rechtsanwälte die gegnerischen Mandanten direkt angeschrieben werden, d.h. sozusagen „hinter dem Rücken“ des eigenen Anwalts. Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph vertritt die Auffassung, dass ein solches Vorgehen standeswidrig ist, d.h. gegen das anwaltliche Berufsrecht verstößt.

In § 12 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) ist geregelt:

§ 12 Umgehung des Gegenanwalts

(1)  Der Rechtsanwalt darf nicht ohne Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufnehmen oder verhandeln.

(2)  Dieses Verbot gilt nicht bei Gefahr im Verzuge. Der Rechtsanwalt eines anderem Beteiligten ist unverzüglich zu unterrichten – von schriftlichen Mitteilung ist ihm eine Abschrift unverzüglich zu übersenden.

Der Sinn des Umgehungsverbotes gem. § 12 BORA dient dem Schutz des Mandanten und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Der anwaltlich vertretene Mandant soll insbesondere davor geschützt werden, durch den Gegenanwalt unter Druck gesetzt oder „überrumpelt“ zu werden.

Das Bundesverfassungsgericht führte zu dieser Vorschrift in einer Entscheidung vom 12.07.2001 (1 BvR 2272/00) aus: „Wer einen Rechtsanwalt beauftragt, soll jederzeit und unter allen Umständen dessen Sachverstand bei Verhandlungen mit der Gegenseite nutzen können. Auch bei der Entscheidung darüber, ob im Einzelfall der anwaltliche Beistand entbehrlich erscheint, soll daher zunächst der Rat des eigenen Rechtsanwalts mitsprechen. Allein hierdurch kann gewährleistet werden, dass spätere Konflikte über rechtserhebliche Äußerungen oder taktische Fehler vermieden werden, die zunächst das Vertrauensverhältnis und schließlich die Rechtsprechung belasten.“

Vor diesem Hintergrund ist die Einhaltung des sog. Umgehungsverbotes eine tragende Säule im Gefüge des Rechtsstaats.

Rechtsanwalt Dr. Tobias Rudolph hat Beschwerde bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer gegen die Rechtsanwälte U + C eingelegt. Er ist der Auffassung, dass im dem systematischen massenhaften Vorgehen der Kanzlei U + C Rechtsanwälte kein Versehen vorliegt. Es handelt sich vielmehr offenbar um den bewussten Versuch „hinter dem Rücken des Anwalts“ die Mandanten zu verunsichern bzw. unzulässigen Druck auszuüben. Dahinter steckt augenscheinlich die Absicht Forderungen durchzusetzen, die höchst­wahrscheinlich im Rahmen eines Gerichtsverfahrens so nicht durchgesetzt werden könnten.

Eine Klärung des Sachverhaltes ist geboten. Dies liegt sowohl im Interesse der Mandanten als auch im Interesse der Öffentlichkeit (vgl. § 25 Berufsordnung der Rechtsanwälte – BORA).

In einigen Einzelfällen kam es auch zu Drohbriefen, die nicht durch die Kanzlei U + C direkt verschickt worden, sondern durch die „acoreus Collection Services GmbH“. Hierbei handelt es sich um ein privates Inkassounternehmen. Derartige private Inkassounternehmen sind anders als Rechtsanwalt keine Organe der Rechtspflege. Private Inkassobüros sind daher nicht an Berufs- oder Standesrecht gebunden. Aus diesem Grund sind derartige Schreiben zwar lästig, da beispielsweise der unzutreffende Eindruck erweckt wird, man laufe nun Gefahr, in eine sog. Schuldnerdatei (Schufa, usw.) aufgenommen zu werden. Rechtlich sind sie jedoch in der Regel nicht zu beanstanden. Ob bzw. wie man im Einzelfall darauf reagieren sollte, lässt sich nicht pauschal sagen, sondern sollte mit einem spezialisierten Rechtsanwalt besprochen werden. In bestimmten Konstellationen (beispielsweise bei „Abo-Fallen“) macht es auch Sinn, die Verbraucher­zentralen in informieren.

Weitere Hinweise zum Thema "Abmahnungen bei Filesharing" finden Sie unter der Rubrik Aktuelles:

1) Abmahnungen bei Filesharing

2) Filesharing - Betrug durch Massenabmahnungen?

3) BGH entscheidet über Haftung für W-LAN bei Abmahnung wegen Filesharing

4) Drohschreiben durch das Inkasso-Büro DebCon

 

Nachtrag Mai 2012: 

Die Rechtsanwaltskammer Nürnberg hat inzwischen der durch RA Dr. Tobias Rudolph eingelegten Beschwerde gegen den Abmahnanwalt stattgegeben. Es wurde festgestellt, dass ein Verstoß gegen das in § 12 BORA geregelte Verbot vorlag, den Anwalt zu umgehen.

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