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„Anti-Abzocke-Gesetz“ für Abmahnungen im Urheberrecht in Kraft

Was wird sich ändern?

Am 09.10.2013 ist das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ in Kraft getreten. Das sogenannte „Anti-Abzocke-Gesetz“ zielt darauf ab, fragwürdige Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit Abmahnungen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen beim Filesharing in den Griff zu bekommen.

Im Kern folgt der Gesetzgeber damit der seit langem erhobenen Forderung, das Geschäft mit Massenabmahnungen bei angeblichen Verstößen gegen das Urheberrecht einzugrenzen. Dabei geht es vor allem um die Fälle, bei denen Bürger teure Rechnungen von Anwaltskanzleien erhalten, weil beispielsweise ihre Kinder aktuelle Songs mit Tauschbörsen aus dem Internet herunter geladen haben.

Daneben enthält das neue Gesetz Regeln gegen unseriöse Inkasso-Firmen und Maßnahmen gegen unlautere Telefonwerbung.

Für die alltägliche Praxis von Rechtsanwälten, die sich auf Internetrecht spezialisiert haben, dürfte die wichtigste Neuerung die Neuregelung der örtlichen Zuständigkeit für gerichtliche Klagen bei Urheberrechtsverletzungen sein. Der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“, d.h. die Möglichkeit der Abmahnanwälte, sich genau das Gericht auszusuchen, bei dem sie sich wohl fühlen, entfällt.

Darüber hinaus werden in dem neuen Gesetz erstmals klare formale Anforderungen festgelegt, denen Abmahnschreiben künftig genügen müssen. Dabei dürften für Privatleute, die von einer Abmahnung betroffen sind, die neugefassten – niedrigeren – Gebühren, die wichtigste Neuregelung sein.

Wo dürfen Abmahner künftig klagen?

Bisher galt bei Urheberrechtsverstößen ein sogenannter „fliegender Gerichtsstand“.

Die Rechtsprechung ging, mit wenigen Ausnahmen, davon aus, dass bei Urheberrechtsverletzungen jedes Gericht in der Bundesrepublik Deutschland bereits dann örtlich zuständig sei, wenn die Urheberrechtsverletzung auch in seinem Bezirk abrufbar war.

Die Abmahner hatten somit die Möglichkeit, sich aus unzähligen Gerichten dasjenige auszusuchen, von dem sie sich die günstige Rechtsprechung erhofften. Nicht selten lag dieses dann mehrere hundert Kilometer vom Sitz des Beklagten entfernt. Durch dieses Vorgehen konnten die Anspruchsteller zusätzlich Druck auf den Beklagten ausüben. Die Verteidigung gegen derartige Klagen war häufig wirtschaftlich erschwert.

Dieser Vorgehensweise schiebt der neue § 104a I des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) nun einen Riegel vor. Urheberrechtliche Klagen können ausschließlich bei dem Gericht erhoben werden, in dessen Bezirk der Beklagte, also der Abgemahnte, seinen Wohnsitz hat. Einschränkend ist festzuhalten, dass dies nur für natürliche Personen gilt, die den Urheberrechtsverstoß nicht im Zusammenhang mit ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit begangen haben.

Welchen Inhalt muss eine Abmahnung zukünftig haben?

Der neue § 97a II UrhG macht detaillierte Vorgaben darüber, welchen inhaltlichen Anforderungen eine urheberrechtliche Abmahnung entsprechen muss.

In einer Abmahnung ist

1.    Name oder Firma des Verletzten anzugeben, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt,

2.    die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen,

3.    geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln und

4.    wenn ein Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtung enthalten ist, anzugeben, in wie weit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht.

Eine Abmahnung die nicht diesen Anforderungen genügt, ist unwirksam.

Durch die Festlegung dieser inhaltlichen Anforderungen soll insbesondere die Transparenz für den Abgemahnten erhöht werden. Dieser soll immer erkennen können, wessen Rechte er durch welche Handlungen verletzt haben soll. Weiterhin soll für ihn deutlich erkennbar sein, wie sich die ihm gegenüber geltend gemachten Zahlungsansprüche zusammensetzen. Er soll hierdurch in die Lage versetzt werden, besser beurteilen zu können, inwieweit die Abmahnung berechtigt ist.

Der Sprengstoff, der in dieser Neuregelung liegt, ist erst auf den zweiten Blick erkennbar. Denn die berühmt-berüchtigten Abmahn-Anwälte haben es bisher stets vermieden, ihre internen Kalkulationen offen zu legen (vgl. dazu den Artikel: „Filesharing – Betrug durch Massenabmahnungen?“).

Gibt es endlich eine klare Deckelung der Abmahnkosten?

Neben der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands ist die für Abgemahnte interessanteste Neuregelung in § 97a III UrhG enthalten.

Dieser soll vor überhöhten Abmahngebühren bei Urheberrechtsverletzungen schützen.

Eine Regelung, die für den Aufwendungsersatz bei Abmahnungen eine 100,00 €-Deckelung vorsah, gab es zwar auch nach der bisherigen Gesetzeslage schon in § 97a des Urheberrechtsgesetzes – allerdings ausweislich des Gesetzeswortlautes nur für „einfach gelagerte Fälle“. Die Rechtsprechung war sich einig, dass es sich bei typischen Filesharing-Abmahnungen regelmäßig nicht um derartige Fälle handelt. Deshalb kam die Regelung bei Filesharing-Abmahnungen faktisch nie zur Anwendung. Die Abmahnkanzleien forderten auch nach Einführung des § 97a UrhG regelmäßig für ein Abmahnschreiben mehrere hundert Euro Aufwendungsersatz.

Dies wird aufgrund der Neufassung des § 97a III UrhG zukünftig nicht mehr möglich sein.

Dieser regelt, dass der Gegenstandswert für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen maximal 1.000,00 Euro beträgt. Der Gegenstandswert bildet die Grundlage für die Anwaltsgebühren, die dem Abgemahnten für ein erstes anwaltliches Abmahnschreiben als Aufwendungsersatz in Rechnung gestellt werden dürfen.

Der Aufwendungsersatz, der in Zukunft von einem Abgemahnten für das anwaltliche Abmahnschreiben verlangt werden kann, beträgt bei diesem Streitwert nur noch 147,56 Euro.

Die Deckelung betrifft jedoch lediglich die Kosten für die außergerichtliche Geltendmachung des Aufwendungsersatzes mittels eines ersten Abmahnschreibens. Sollte es zu einem gerichtlichen Verfahren kommen, gilt weiterhin, dass das Gericht den Streitwert gemäß § 3 ZPO nach gerichtlichem Ermessen festlegt. Ob bzw. inwieweit sich das neue Gesetz in der Praxis auf die Bestimmung der Streitwerte auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Auch der neue § 97a III beinhaltet eine Öffnungsklausel für Fälle, in denen die Annahme eines Gegenstandswerts von 1.000,00 Euro „unbillig“ wäre. Darunter sind Fälle zu verstehen, bei denen die Urheberrechtsverletzung von Art und Schwere deutlich über dem Durchschnitt liegt. Die Darlegungs- und Beweislast für besondere Umstände, die zur Anwendung dieser Ausnahme-Vorschrift führen, liegen aber bei demjenigen, der von dem gesetzlichen Regelgegenstandswertes in Höhe von 1.000,00 Euro abweichen möchte, also bei dem Abmahnenden. Bei „normalen“ Filesharing-Abmahnungen im Privatbereich wird diese Ausnahmeregelung nur in ganz seltenen Fällen in Betracht kommen.

Welche Möglichkeiten hat der Abgemahnte, wenn die Abmahnung unwirksam ist oder unberechtigt erfolgte?

Das neue Gesetz regelt für den Fall, dass die Abmahnung wegen Nichteinhaltung der Formvorschriften aus § 97a II Nr. 1 bis 4 (siehe oben) unwirksam oder sonst unberechtigt war, einen Gegenanspruch des Abgemahnten gegen den Abmahnenden. Der Abgemahnte kann dann von dem Abmahner Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen, d.h. der durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten, verlangen.

Dies gilt allerdings einschränkend nur dann, wenn für den Abmahnenden die Nichtberechtigung erkennbar war. Für Fälle, in denen beispielsweise der Anschluss korrekt ermittelt wurde, sich im Nachhinein aber herausstellt, dass nicht der Inhaber, sondern eine andere Person Verursacher der Urheberrechtsverletzung war, gilt dies nicht.

Wie wird sich das neue Gesetz auf das Verhalten der Abmahnkanzleien auswirken?

Inwiefern sich die gesetzlichen Änderungen auf das Vorgehen der Massenabmahner auswirken werden, ist derzeit noch nicht absehbar.

Fakt ist, dass gerichtliche Klagen nach der Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstandes“ an Attraktivität verlieren werden. Eine Auswahl eines „abmahnfreundlichen“ Gerichts wird künftig nicht mehr möglich sein, wodurch der Prozessausgang im Einzelfall für die Abmahner deutlich weniger kalkulierbar wird. Allerdings kam es auch bisher nur in einer prozentual gesehen geringen Anzahl von Abmahnungen tatsächlich zu Gerichtsverfahren. Sehr viele Fälle wurden außergerichtlich erledigt – oder sind „im Sande verlaufen“.

Welche Auswirkungen die neue Deckelung der Abmahnkosten für die Praxis hat, bleibt ebenfalls abzuwarten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Abmahnkanzleien lediglich die Zusammensetzung des Vergleichsbetrages, der in Abmahnungen regelmäßig angeboten wird, abändern. Die Deckelung der Anwaltskosten könnte so durch eine höher angesetzte Schadensersatzpauschale ausgeglichen werden.

Betreffen mich die Änderungen auch, wenn ich bereits eine Abmahnung erhalten habe?

Das Gesetz enthält keine speziellen Übergangsregelungen für Abmahnungen, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes ergangen sind.

Nach allgemeinen Grundsätzen werden demnächst Klagen voraussichtlich nur noch an dem Ort möglich sein, an dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Auch wenn Sie bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Abmahnung erhalten haben, kann vom Abmahner dann nicht mehr der sogenannte „fliegende Gerichtsstand“ (siehe oben) in Anspruch genommen werden.

Wie sich die Regelungen zur Deckelung des Aufwendungsersatzes und zu den formellen Anforderungen an eine Abmahnung auf „Altfälle“ auswirken werden, ist in Anbetracht des Fehlens einer eindeutigen Regelung noch unklar. Ob beispielsweise in einem „Altfall“ der in der Abmahnung ursprünglich geltend gemachte Aufwendungsersatz von einem Gericht zugesprochen werden darf, oder, ob hier bereits die neue Deckelung zum Tragen kommt, wird in künftigen Prozessen heiß diskutiert werden. Die Neuregelung wird insbesondere in der Übergangszeit für viel Diskussionsstoff sorgen. 

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